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„Was ist schneller, Tuch oder Tragehilfe?“

Ich höre und lese diese Frage sehr häufig und abgesehen davon, dass es eigentlich keine kurze Antwort darauf gibt, möchte ich in diesem Beitrag die Motivation zu dieser Frage ein wenig erörtern. Warum muss es immer schnell gehen? Und andersrum: Wie langsam muss etwas sein, um zum „Problem“ zu werden?

Die Rolle der Zeit im Umgang mit Kindern

Hierzu zwei extreme Beispiele: Geht es allein um den Transport eines (kleinen) Kindes, kann auch der bereitstehende Buggy das Mittel der Wahl sein. Schnell hineingesetzt und zügig geschoben sticht das wohl jede Trageweise. Ist hingegen das Baby auf uns eingeschlafen, haben wir jede Menge Zeit, ein bereitliegendes Tuch oder eine Tragehilfe im Zeitlupentempo umzulegen – ein wenig Übung vorausgesetzt.

Das Zeitmanagement mit einem Baby und auch (Klein-)Kind stellt uns immer wieder vor Herausforderungen. Mal rennt uns die Zeit davon und manchmal scheint einfach nichts voran zu gehen. Aber weder wird unser Kind auf unseren Wunsch hin schneller wachsen noch können wir schneller schlafen (auch wenn das sehr verlockend klingt). Woher kommt diese Erwartung, dass alles schnell gehen muss?

Alltägliche Fragestellungen

Fangen wir mit der Kleidung an. Häufig füllen schon weit vor der Geburt hübsche kleine Bodys, Strampler und Mützchen die Schubladen. Macht sich irgendjemand vorab Gedanken darüber, ob man sein Kind damit „schnell“ anziehen kann? Natürlich wird sich bald herausstellen, dass die eine Variante leichter zu handhaben ist als die andere, aber das ist meist Geschmacksache. Und natürlich gibt es auch hübsche Teile, die weder praktisch noch bequem sind.

Wie ist es mit dem Wickeln? Ich selbst habe erst mit dem zweiten Kind und nach dem Umstieg auf Stoffwindeln gemerkt, dass es kein notwendiges Übel ist, mein Kind zu wickeln. Es ist Zeit, die wir so oder so zusammen verbringen. Zeit, in der ich mein Kind ganz bewusst pflege, achtsam, und in meinem Fall mit wunderschönen Stoffwindeln. Warum sollte das schnell abgehandelt werden?

Aber zurück zum Tragen. Ich kann verstehen, dass die gewählte Trageweise nicht umständlich sein soll, dass niemand die Geduld des Kindes überstrapazieren möchte und dass es Situationen gibt, in denen es eben flink gehen muss. Welcher Zeitrahmen ist dafür angemessen?

Es gibt sicherlich Bindeweisen, die zügiger zu binden sind als andere. Und sowohl beim Tragetuch als auch bei einer Tragehilfe ist es eine Frage der Übung, wie schnell man sein Kind sicher und für alle komfortabel hinein bekommt. Es ist also ein klassischer Vergleich von Äpfeln und Birnen: Einen Hüftsitz mit simplem Knoten bekomme ich schneller gebunden als einen Fullbuckle und diesen schneller als einen Einfachen Rucksack. Für mich ist ein Einfacher Rucksack aber viel bequemer als ein Fullbuckle!

Die Schönheit des (individuellen) Tragens

Das Schöne am Tragen ist, neben vielen anderen vorteilhaften Aspekten, dass wir unser Kind jederzeit nah bei uns haben und auch im Moment des Einbindens immer wieder Pause machen und unser Kind beruhigen können. Muss das also schnell gehen oder reicht es nicht einfach, wenn es „schnell genug“ geht?

Wenn ich in einer Trageberatung gefragt werde „Tanja, was ist DEINE liebste Trageweise? Was kannst du UNS empfehlen?“, dann hat das zwei getrennte Antworten zur Folge. Ich persönlich trage sehr gerne mit dem Tuch und mit unterschiedlichen Bindeweisen. Und ich trage auch sehr gerne mit verschiedenen Tragehilfen. Noch dazu hat sich das von Kind zu Kind verändert, weil sich mein Vorwissen, meine Vorlieben und bekanntermaßen auch meine Vorräte verändert haben. Ich nehme mir die Freiheit, mich nicht auf eine Trageweise festzulegen. Und genau das empfehle ich auch meinen Beratungseltern: Lasst uns zusammen schauen, was euch gut von der Hand geht, was sich für euch sicher und bequem anfühlt, und macht euch darauf gefasst, dass sich das mit der weiteren Entwicklung eures Kindes auch noch ändern kann. Probiert dann etwas Neues aus, zuerst auf der Hüfte und dann auf dem Rücken. Und wenn euch das Tuch und eine Tragehilfe gut liegen, dann gönnt euch beides – der Gebrauchtmarkt ist groß und macht es kostengünstig möglich, mehr als eine Trageweise zu nutzen.

Wählt eure Trageweise danach aus, ob ihr damit gerne tragt, ob sie euch bequem ist und ob sie euch „schnell genug“ geht. Und lasst euch bei der Wahl Zeit. Gerne unterstütze ich euch dabei!

Bildbeschreibung: Im Video binde ich die Wickelkreuztrage in Echtzeit. Das hübsche Streifentuch ist eine Cleo von Didymos, selbst gebraucht gekauft. Meine Tragepuppe ist etwa 50cm groß und wiegt 2,7kg. Sie kooperiert hervorragend!

Dieser Beitrag wurde im Januar 2024 noch einmal überarbeitet und aufgehübscht, die Inhalte haben sich nicht verändert.

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